Berlin – Der 3. Weg

Erschienen in: Style & The Family Tunes, 02/2011

 

(…) Vladimir Karaleevs abstrakte Silhouetten zum Beispiel, die nicht den Körper schematisieren, sondern wie zufällig entstandene, lebendige Stoffformungen sind. Er drapiert, faltet, deutet an, bleibt unfertig. Doch diese Inszenierung des Prozesses wirkt weder gewollt noch angestrengt soziologisch, sondern jeder Rock, jedes Kleid oder jedes Top ist im eigentlichen und oberflächlichen Sinne schön.
Zu dieser Schönheit gesellt sich das Chaos, das durch die asymmetrische Drapage der Gewebe entsteht. Hier eine wulstige Schulter, dann ein scheinbar organisch weiterwachsender Rock oder dort die, wie mit Luftschläuchen gefüllte Vorderseite einer Weste, die aus nichts als geschlungenem Gewebe besteht. Steife Stoffe kontrastieren mit weichen Materialien, fehlende Nähte mit der Strenge der Linie. Die Stärke der Kollektion liegt in der Visualisierung der Haptik: Man fühlt die Entwürfe ohne ihnen nah gekommen zu sein, spürt die Fragilität, ohne sie zu durchschauen.
(…)

Die Ausgewogenheit der Entwürfe von Vladimir Karaleev, Reality Studio oder Perret Schaad definiert den neuen, dritten Weg Berlins. Die deutsche Hauptstadt hat, wenn überhaupt, nur eine verschwindend kleine, elitäre Schicht, die nach modischer Üppigkeit verlangt. Stattdessen dominiert ein emanzipiertes Selbstverständnis, das nach einem intelligenten Ausdruck sucht. Einen, wie man ihn international bei Céline, Jil Sander oder Prada findet. Erwachsener Avantgardismus also. Oder besser: Schönheit, die nicht harmlos ist.

Vollständiger Artikel als PDF: „Berlin – Der 3. Weg“, Style & The Family Tunes 01/2011

 

 



Kommentare sind geschlossen.